Samstag, 14. November 2009

Ein paar Tage im Herbst

Es waren nur elf Tage, vom 31. Oktober bis zum 10. November, in denen der Fußball sämtliche Facetten, sämtliche Höhen und Tiefen zeigte, die er zu bieten hat. Da war zunächst das umjubelte Comeback von Robert Enke in Köln. Endlich stand die unumstrittene Nummer Eins nach überstandener Virus-Infektion wieder zwischen den Pfosten und hatte gleich großen Anteil am Punktgewinn in der Domstadt. Am Sonntag darauf dann das große Spiel gegen den Hamburger SV. Endlich wieder Robert Enke im eigenen Stadion.
Dazwischen, am Samstag, noch der Überfall von blau-gelben Hooligans auf Fans von 96. Eigentlich sollte an dieser Stelle und in diesem Blog auf diesen Überfall reagiert werden. Es sollte hier eigentlich ein Kommentar stehen, der darauf abzielen sollte, dass der Rote Anhang in letzter Zeit erstaunlich gelassen und souverän auf sämtliche Provokationen von Fans der braunschweiger Eintracht und der wolfsburger Werksmannschaft reagiert hatte. Der Kommentar sollte freilich einige Punkte beinhalten: Und zwar die Befürchtung, dass dies nicht immer so bleiben würde, die Bestätigung, dass die Braunschweiger durch dämliche Grafittis ihre bedauernswerte geistige Gestrigkeit unter Beweis gestellt hätten - und die Mahnung, dass dringend ein allgemeines Innehalten vonnöten wäre, um keine unaufhaltbare Spirale der Gewalt in Gang zu setzen. Schließlich geht es hier um Fußball. Um ein SPIEL. Um nichts weiter.
Doch dann kam der schwer zu verkraftende Freitod Robert Enkes dazwischen. Und damit ein Innehalten der ganz anderen Art. Einerseits rückt bei einer solchen Nachricht tatsächlich sämtliche sportliche Nebensächlichkeit in den Hintergrund. Auf der anderen Seite stellt sich aber auch die Frage: Ist Fußball tatsächlich nur ein SPIEL? Diese schockierende Geschichte und die allgemeine Reaktion darauf beweist nämlich im Grunde das Gegenteil: Plötzlich rückten über sämtliche vermeintlichen Rivalitäten, Konkurrenzkämpfe und Animositäten hinweg Fußballer und Fans aus ganz Europa zusammen. Leider überschritt die Berichterstattung dabei bisweilen alle Grenzen der Rücksichtnahme auf das Schicksal Robert Enkes, auf seine Familie, seine Freunde und auch auf seine Fans. Insbesondere die 1414-Zeitung, bislang verlässlicher Steigbügelhalter des - selbstverständlich hervorragenden - Nationalmannschafts-Konkurrenten René Adler, tat sich plötzlich als vermeintliches Trauer-Zentralorgan uns als makabrer Überbringer wilder Spekulationen und geifernder Sensationslust hervor. Selbst bei der öffentlichen Trauerfeier im Stadion wird gestört: Gerade als die Zeremonie beginnt und es im weiten Rund so still wird, dass man die sprichwörtliche Stecknadel fallen hören könnte, zerreißen gleich mehrere Helikopter am Himmel die Ruhe. Und Herrn Zwanziger, der forsch die "Enttabuisierung" einer Krankheit fordert (was in dieser Form unglaublich zynisch klingt), muss man entgegen halten: Wir Fans - oder zumindest die große Mehrheit von uns - sind da offenbar wesentlich weiter als ihr DFB-Granden. Zumindest bei der Trauerfeier findet Zwanziger dann aber - genau wie Ministerpräsident Christian Wulff - den richtigen Ton.
In jedem Fall stand plötzlich nicht mehr der Sportler Enke, sondern der Mensch Robert im Vordergrund. Auf den Homepages nahezu aller Fußballvereine in Deutschland und der Welt (und sogar bei den vermeintlichen Intimfeinden aus der Löwenstadt) fanden sich Meldungen, Berichte und wohlmeinende Nachrufe. Das alles geht weit über ein SPIEL hinaus. Das lässt sich nicht mehr mit den schnöden Begriffen "Sport" oder "Fußball" erklären. Das ist verdammt viel mehr. Und das ist gut.

Sören

1 Kommentar:

  1. Hallo, ein sehr angemessener Kommentar. Es ist das Problem unserer heutigen sensationsgeilen Zeit, in der selbst bei Trauerfeiern keine Privatsphäre des Trauerns mehr kennt. Umso bewunderswerter ist daher die PK von Teresa Enke und ihre Teilnahme am Gottesdienst in der Marktkirche als auch im Stadion zu beurteilen.

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